Jürgens Musik auf den Punkt gebracht

Charakteristik der Musik:
Was Jürgens Musik ausmacht ist zum einen sein Gitarrenspiel, das den Liedern Gefühl und Tiefe verleiht, das gilt für die gezupften Akustikgitarren ebenso wie für die Solo-Melodien der E-Gitarren. Zum anderen sind es die gelungenen Arrangements, die mit spannenden Wendungen immer wieder für Überraschungen sorgen – besonders bei den längeren Liedern. Es ist ehrliche und authentische Musik ohne Showgehabe. Jürgen ist kein extrovertierter Live-Gitarrist, sondern spielt ohne Matcho-Getue, vergleichbar mit Tom Petty oder Steve Hackett.

Der Musikstil:
Ob Rocksongs oder Folk-Balladen, ob diffizile Progsongs oder leichte Singer-Songwriter-Lieder, ob leise Akustikgitarren oder opulente Instrumentierung – Jürgen verbindet Classic Rock, Prog, Blues und Jazz zu einem ganz eigenen Stil und schafft ein wunderbares Hörvergnügen. Es ist, als ob die Musikstile wie gute alte Freunde zusammenkommen und eine gute Zeit miteinander haben – und was von jedem Treffen bleibt ist ein neues Album. „Zu unterschiedlich“ sagen manche, „zu uneinheitlich die Songs“, doch gerade das ist die Stärke seiner Alben, diese Fülle an kreativer Vielseitigkeit. Ein Versuch, einzelne Titel bestimmten Genres zuzuordnen findet sich am Ende dieser Rezension.

Die Texte:
Treffsichere Formulierungen, gute Reime. Die Lieder handeln vom Leben wie wir es alle kennen. Die Texte hinterfragen, verstehen und ermutigen in Lebenssituationen, mit denen man sich gut identifizieren kann. Und sie geben mitunter ohne erhobenen Zeigefinger einen kritischen Blick auf die Welt. Nicht alle Texte haben diesen Tiefgang, aber immer wieder erkennt man den philosophiebelesenen und lebenserfahrenen Songschreiber. Beispiele: Wir paddeln in Pfützen, Jeder Schlaf ein kleiner Tod.

Die Alben:
Die Alben sind durchflutet von den Genres die Jürgens Stil zugrundeliegen, dies ermöglicht kurzweiliges Zuhören, da nicht jeder Titel gleich klingt. Die ersten beiden Alben SELFMADE (2002) und SOMETIMES (2004) sind noch nicht ausgereift, obwohl dort schon wahre musikalische Perlen zu finden sind. Auf dem dritten Album OUT OF THE DEEP (2009) hat Jürgen seinen Musikstil definitiv gefunden und erschafft nunmehr die weiteren Alben MITTENDRIN (2011) und LEBENSZEICHEN (2016). Sein musikalischer Output bewegt sich seitdem auf hohem Niveau mit stetiger künstlerischer Weiterentwicklung, dies zeigen ALIVE AND EASY (2019) und CATCH THE SUN (2022).

Der Gesang:
Nun, Jürgen hat keine einzigartige herausragende Stimme, aber das nehme ich beim Zuhören gerne in Kauf, da mich die Gesamtatmosphäre der Lieder packt und mich das Feeling der Musik bewegt. Er ist authentisch, nicht aufgesetzt, nicht verkünstelt. Es ist das selbe Phänomen wie etwa beim ehemaligen Genesis-Gitarristen Steve Hackett, der auf seinen Soloalben hin und wieder singt. Wie Steve ist auch Jürgen kein Sänger, der eine Begleitband hat, sondern ein Musiker der eben manchmal seine Texte singt.

Aufnahmetechnik:
Die Aufnahmetechnik klingt wie aus den Siebzigern, mit wenig Komprimierung – das klingt nicht so kalt und unnahbar wie manch moderne digital optimierte Produktion. Jürgen ist damit in guter Gesellschaft, Lenny Kravitz zum Beispiel ließ seine Musik auch wie aus den Siebzigern klingen und Nina Hagen hat die Songs ihres 2022 erschienenen Albums aufnahmetechnisch auch kaum komprimiert. Ungnädige Stimmen sagen, das klingt „sehr nach Proberaum“ (Eclipsed Nr 246, Dezember 2022, Seite 89). Ich finde eher, es ist künstlerische Freiheit und schafft einen sehr persönlichen Stil.
Komprimierung kam mit mp3 auf, sie beschneidet Frequenzen und nimmt den Liedern Tiefe und Raum.

Genre-Zuordnung:
Nur wenige Lieder lassen sich einem einzigen Genre zuordnen, einige wollen wir hier nennen. Es ist ein vorsichtiger Versuch ohne gesicherten Anspruch auf Richtigkeit (in Klammern das jeweilige Album):
Progressive:
Running on (Mittendrin), Jeder Schlaf ein kleiner Tod (Mittendrin). Changes (Out of the deep), Crazy strings (Out of the deep), Sometimes (Sometimes), No matter of fate (Sometimes), Walking in circles (Sometimes), All my Friends (Selfmade), Still I’ve got time (Selfmade)
Blues:
Blues for two (Alive and easy), Promenade à Paris (Catch the sun), Blue Sunday (Alive and easy), Keep Smiling Blues (Sometimes), Rather be glad (Lebenszeichen), Hasch da Blues (Lebenszeichen), Blueswing (Catch the sun)
Rockiges:
I’m alive (Alive and easy), Circus of live (Alive and easy), Power of soul (Alive and easy), Füsterton (Out of the deep), Jeden Morgen (Sometimes), Blind fate (Catch the sun), Hot summer night (Catch the sun), Midnight sun (Sometimes), Undercover lover (Mittendrin), Wann brech ich aus (Lebenszeichen)
Leichte Balladen:
For you (Lebenszeichen), Gedanken wie Blei (Out of the deep), Wenn die Sonne sich erhebt (Alive and easy), Without words (Sometimes), Stardust (Out of the deep)
Jazziges:
Parfum de Jazz (Out of the deep), Manouche (Catch the sun), Wake up and feed the cat (Catch the sun), Schlafwandel (Mittendrin), Di-da-dub-da-do (Catch the sun), Immer so weiter (Alive and easy), Ich lass mich treiben (Catch the sun)
Irisch:
Ballade von McMuffin (Lebenszeichen)
Akustikgitarren:
Souvenir des Alpilles (Alive and easy), Snooze (Out oft he deep), Harry in a hurry (Out oft the deep), 5 vor 3 (Sometimes), A leaf is falling down (Selfmade), Immer so weiter (Alive and easy)
Gesellschaftskritisches:
Wir paddeln in Pfützen (Lebenszeichen), Die Erde und der Mensch (Catch the sun), Krone der Schöpfung (Catch the sun)


September 2023